Christel Hoberg-Heese, Christel Keiderling, Ronnith Neumann, Christine
Schulz, Maria Sperling
Grenzgängerinnen
Über dieses Buch
Traum oder Wirklichkeit, Grenzsituation oder
Alltägliches, erlebte Geschichte oder Phantasie
sind die Fragen, die sich der Leserin oder
dem Leser stellen, wenn er die poesievollen
Erzählungen der fünf Autorinnen aus dem
westfälischen Raum liest .Das Themenspektrum
umfasst Erinnerungen an Kindheit in der Kriegs-
und Nachkriegszeit, an Verfolgung, an das
Leben einer jüdischen Großmutter sowie
Erfahrungen mit Liebe, Reisen, Zeit, Trauer
und Alter. Das Gemeinsame der Geschichten
ist, dass sich alle Handlungsträgerinnen irgend
wie in einer Grenzsituation befinden,
Grenzgängerinnen sind.
Paperback
11,50 €
ISBN 978-3-929931-19-8
Vorwort von Dieter Wurm
ei der Annäherung an die Beantwortung der Frage des
gemeinsamen Leitfadens oder Themas dieser reizvollen Kurzprosa- und
Erzählungszusammenstellung von 5 Autorinnen aus unter-schiedlichen
Regionen in Westfalen scheint der gewählte Buchtitel "Grenzgängerin"
einen deut-lichen Hinweis auf eine Antwortmöglichkeit zu geben.
Zum einen deckt sich der Titel mit dem Ziel des Ingrid Lessing Verlages,
"anspruchsvolle Literatur von Frauen für Frauen über
Frauen" zu veröffentlichen - ohne jedoch die Männerwelt
auszuschließen. Zum anderen implizieren die
aspektvielfältigen, viel- und tiefschichtigen Erzählungen
- manchmal sprachlich angemessen schlicht, dann aber auch komplex und
differenziert gehalten sowie bilderreich und poetisch ge-
staltet - Phantasiewelten, Grenzsituationen, Grenzerfahrungen, Unausweichlichkeiten
sowie
emanzipatorische Befreiungen und erlösende Auswege.
Christel Keiderling wagt sich als "Die
Kleine Emanze" in "kindlichen Wachträumen" mit schlitzohrigem
Blick in ihre "Dachbodengeheimnisse" vor; sie spürt wie
eine kleine, sorgsam zusammengefügte Welt aus den Fugen gerät,
ohne dass der Traum von Elsa, der Zwangsarbei-terin mit ihren "roten
Stiefelchen", verloren geht; sie singt im " Inselsommer"
ein "Lied gegen die Brandung"; erfährt als "die
Klosterschülerin" ein wundersames Klingen; und sie wähnt
in ihren Phantasien "Rapunzel" in einem mysteriösen Turm.
Wir erfahren durch Christine Schulz, wie sich durch
ein "Schlüsselerlebnis" in und mit "Anne" die
Wandertouren und Wegzielrichtungen ändern; erblicken in den unterschiedlichen
Gesichtern von "Georg" und in einer grandiosen Leistung eine
kaum für möglich gehaltene Glückserfah-rung; erkennen
was "unsere Ludmilla" als Gewinn und Verlust bedeutet; wie
nach einer "Pater-noster"-Erfahrung eine Krise in die Flucht
geschlagen wird; wie in "das Ei" als Kuckucksei Gren-zerfahrungen
ausgelotet werden; in "sie ist wieder da" die Trauer über
den Verlust in einem Be-freiungsschrei mündet; erfahren in einem
sich verselbständigenden Interview den harten Le-benslauf einer
Frau zum "95. Geburtstag"; wie man einem "Frühlungsputz"
zu entkommen ver-sucht; und welche tiefere Dimension das Bibel-Wort
"starb alt und lebenssatt" bereithalten kann.
"An der Algarve" entdeckt die Urlaubsskeptikerin Maria
Sperling Grenzaufhebungen ungeahn-ter Weite und Tiefe in einer
kaleidoskopartigen Bilderflut mit audieller und visueller Sinnenpracht
und das "Sich - Einlassen" in andere Welten; ihr gelingt in
"der Weg nach Hause" die Ankunft bei sich selbst durch den
"Sonnenaufgang drinnen und draußen"; in "Kiandara"
scheitert der Rettungsversuch vor der Verlorenheit unter "der Last
der zerfetzten Träume"; mit "Lea Stern - Spuren in die
Unzeit" erreicht das leidvolle Schicksal einer ehemaligen Jüdin,
im wahrsten Wort-sinn einer echten Kreuz-Trägerin, Exemplarität
hohen Maßes; und im Alleinsein der Fremdheit eines Hauses offenbaren
"Räume" vieles, lassen aber auch viele Fragen offen;
letztlich entdeckt die Autorin die Anziehungskraft der "Spiegel"
in ihrer Faszination, aber auch Bloßstellung.
Ronnith Neumann geht der Bedeutungssuche
"Ein Stück Zeit" nach, entdeckt in dem Besuch des gleichnamigen
Kindes Samantha das eigene große Geheimnis der Protagonistin mit
psy-chologischem Feingespür und "zeitlicher" Unerbittlichkeit;
"Die Tür" öffnet sich den Weg in die Deportation
mit einem Funken Hoffnung; und "Evas Tagebuch" offenbart freie
Assosiationsket-ten in Anlehnung an die Schöpfungsgeschichte und
den Garten Eden mit beklemmender Inten-sität.
Mit Christel Hoberg-Heese stoßen
wir in "die Begegnung" vor, in der sich Gegenwart und Ver-gangenheit
überlappen und Gesprächsverquickungen innere Wunden bloßlegen;
als "Grenz-gängerin" betreten wir das mit tiefer Sensibilität
und feinen Zwischentönen ausgelotete Grenz-land im Schauspielermilieu
im merkwürdigen Spannungsverhältnis zwischen Vorstellung und
Wirklichkeit; "Ein Verhör", im Innern der Protagonistin
ausgetragen, lässt uns in faszinierenden Erinnerungsfetzen nicht
wegkommen von den alten Geschichten, die in den "Gegenständen
nisten"; letztlich bleibt die Frage offen nach dem "Zuhause"
, ohne gemeinsame Erinnerungen mit einer Aura von Einsamkeit umgeben,
ob durch unbewältigte Trauer "ein Stück Leben mit seinen
drei festen Größen und einer Toten im Hintergrund" möglich
ist.
Der Reiz dieser kleinen Anthologie liegt darin und dient
dazu, Interesse für Literatur in und aus der westfälischen
Region zu wecken und neue literarische Kontakte herzustellen. Unterschiedli-che
Erfahrungs- und Erzählwelten von Frauen, die ja anders fühlen
und denken sollen als Män-ner, bieten den Leserinnen und Lesern
ein Spektrum von Verständnismöglichkeiten und fordern zur
kritischen Anteilnahme heraus. Letztlich erhöhen sie auch das Lesevergnügen
und ermuti-gen zum literarischen Dialog, sei es in gedanklicher Auseinandersetzung
mit Schicksalsfragen, psychologischen Konflikten und Enthüllungen
von Seelenzuständen oder aber in der Freude an sprachlicher Gestaltung
überhaupt.
Dieter Wurm
Autorinnen
Christel Hoberg-Heese
Geboren in Plettenberg, Abitur in Altena, danach Ausbildung
zur Schauspielerin und dreijähriges Engagement an den Städtischen
Bühnen Dortmund, Heirat und Familie. Nach dem frühen Tod des
Ehepartners Studium an der Pädagogischen Hochschule Dortmund mit
den Schwerpunkten Germanistik, Geschichte, Theaterpädagogik, Abschluss
als Diplompädagogin, danach Lehrerinnentätigkeit an der Hauptschule
Medebach. Heute neben dem geschriebenen in besonderer Weise dem gesprochenen
Wort verpflichtet, was sich in zahlreichen Lesungen niederschlägt.
Veröffentlichungen
1974 "Es spukt im Kaufhaus", Fischer Verlag, Göttingen
2001 "Weit sind die Wege - Frauenbilder der Zeit", Ingrid
Lessing Verlag, Dortmund
Veröffentlichungen von Kurzprosa in verschiedenen Tageszeitungen
und im Verlag Graber und Görg, Frankfurt/Main
Veröffentlichungen in verschiedenen Anthologien
Christel Keiderling
Geboren 1939 in Winterberg-Niedersfeld. Nach Besuch der
Internatsklosterschule Ausbildung zur Erzieherin. Nach den ersten Berufsjahren
im Kindergarten St. Walburga, Meschede, Erzieherin im Kurkinderheim
"Dünenrose" auf Norderney. Heirat 1965, eine Tochter.
Lebt wieder in Niedersfeld.
Veröffentlichungen
Drei Kinderbücher:
1996 "So zärtllich kann ein Esel sein", 3. Auflage, Grobbel
Verlag
1990 "Nur eine Sternschnuppe" ,Engelbert-Verlag
1992 "Freundschaft macht stark", Engelbert-Verlag
1997 "Eine Rose für eine Nonne", 2. Auflage, Ulrike Helmer
Verlag
1996 ins Kroatische übersetzt
Kurzgeschichten in verschiedenen Anthologien
Ronnith Neumann
In Haifa/ Israel geboren, kam 1958 mit den Eltern nach
Deutschland. Nach Abschluss der höheren Schule in Frankfurt/Main
Ausbildung zur Fotografin. Freie Fotografin, Volontariat beim Hessischen
Rundfunk, 1970 zum Norddeutschen Rundfunk, Hamburg. Akademie für
Publizistik in Hamburg, "Freizeitvolontariat " in diversen
Redaktionen de NDR. Phonetikausbildung. Seit 1985 freie Schriftstellerin.
Leiterin de Seminars "Die literarische Lesung - Lesetechnik für
Autoren". Kunstfotografie. Seit 2001 auch im Bereich der bildenden
Kunst tätig. Lebt in Bielefeld und auf Korfu/Griechenland.
1978 Filmdrehbuch über die Stadt Ulm. Der Film wurde
in mehrere Sprachen übersetzt.
Buchveröffentlichungen
1981 "...und sind doch alles nur Worte" Lyrik, Ted Siera-
Verlag, Hamburg
1982 "Lebenstraumkette" Trilogie, Lyrik/Prosa, Soldi-Verlag,
Hamburg
1985 "Heimkehr in die Fremde, Roman, Bert Schlender, Göttingen
1991 "Nirs Stadt" Erzählung, Fischer Taschenbuch, Frankfurt
/M
1992 "Die Tür" Erzählungen, Fischer Taschenbuch,
Frankfurt/M
1996 ""Ein stürmischer Sonntag" Zornige Geschichten,
Fischer Taschenbuch
Darüber hinaus einige Theaterstücke, zahlreiche
Sendungen für Hörfunk sowie Veröffentlichungen in Anthologien,
Zeitungen und Zeitschriften, Lesungen im In- und Ausland. Zahlreiche
Preise und Auszeichnungen.
Christine Schulz
In einem kleinen Ort in Ostpreußen geboren. Als
sie sechs Jahre alt war, begann die Invasion Hitlers auf Polen. Ihr
weiteres Leben war gezeichnet durch diesen Krieg und seine Folgen. Sie
lebt jetzt an ihrem zehnten Wohnort, nach mehr oder minder freiwilligen
Umzügen. Die eindrücklichsten waren 1945 die Flucht vor der
Ostfront übers Eis und dem Beschuss mitten im Kriegsgeschehen und
kurz vor dem Mauerbau die heimliche "Übersiedlung" von
Ost nach West mit drei kleinen Kindern und zwei Koffern. Von ihrer Familie
sind ihr nur ihr Mann und ihre Tochter geblieben.; ihre beiden Söhne
starben, Hans-Michael während seines Studiums und Frank-Martin
im April 2004.
Ihre Geschichten liest die Autorin in Begegnungsstätten,
Gesprächskreisen und Schulen. Auch in kirchlichen Frauengruppen
sind sie oft Ausgangspunkt intensiven Austausches. Der WDR Hörfunk
brachte einige ihrer Mitmenschengeschichten. Es folgten kleine Veröffentlichungen
in Anthologien und Zeitschriften.
Die Lebensgeschichten ihrer Patienten - Christine Schulz ist Physiotherapeutin
- sind ein wahrer Fundus für ihre Geschichten. Gern schlüpft
sie in die Rolle der Icherzählerin, um so mehr Nähe und Intensität
zu ihrem Publikum herstellen zu können. Oft wird sie gefragt, ob
alles auch wahr sei. Wahr ja, aber nicht immer real. Die Wahrheit setzt
sich zusammen aus Erzähltem, Erlebten und dem Miteinander von Menschen
und den sich daraus ergebenden Gefühlen.
Maria Sperling
Geboren 1934 in Möhnesee/Körbecke, war Lehrerin
im Münster- und Sauerland, ist verheiratet, hat vier Kinder, wohnt
in Soest und verbringt jedes Jahr einige Monate in Australien bei ihrer
Tochter.
Ihre Themen: Das Tägliche, Kuriositäten des Alltags, Menschen,
die ihr begegnen und solche, die sie erfindet, das Phänomen "Zeit",
das Altern, der Augenblick und ihre Konfrontation mit ihm, alles um
die herum kann Gegenstand des Schreibens sein, oft ist es das Spiel
mit der Sprache, den Worten, Spiel auch mit der Ironie bis hin zur Parodie.
Quellgrund ihres Schreibens ist die Rückbesinnung auf ihre Wurzeln,
wohin immer sie sich über das Wort rettet, wenn "Die Fliehkraft
uns auswirft", was sagen will: wenn der Alltag sie zerfasert in
alle möglichen Aktivitäten.
Veröffentlichungen
1997 "Herzpendel / Spiegelungen und Spuren", Prosa und Lyrik,
Sten Verlag, Arnsberg
2000 "Versuche gegen die Fliehkraft / Erzählungen und Gedichte",
Pallas Verlag, Dinker
2000 "Arkadien ist fern", Maria Sperling - Gedichte / Ingeborg
Porsch - Bilder, Pallas Verlag Dinker
2003 "Abzweig nach Gwandalan - Australisches Mosaik" / Erzählungen
und Gedichte, Pallas Verlag, Dinker
Darüber hinaus Veröffentlichungen in Anthologien.